18. August 21:00 h
Am Montag dem 18. August 2003 um 20:00 h starteten annähernd 1000 Teilnehmer in Saint Quentin en Yvelines zur 15. Austragung des vom Audax Club Parisien vorzüglich organisierten Radmarathons Paris-Brest-Paris. Weitere Teilnehmer folgen im Laufe der Nacht auf herkömmlichen Fahrrädern, Tandems oder speziell nach individuellen Bedürfnissen gefertigten Gefährten, wie z.B. Liegerädern. Insgesamt begeben sich über 4000 Radfahrer aus 4 Kontinenten auf die Strecke. Die 4176 angemeldeten Teilnehmer stammen insbesondere aus folgenden Ländern: Frankreich 2056, USA 466, Grossbritannien 356, Italien 220, Deutschland 202, Dänemark 189, Spanien 175, Belgien 86 sowie Australien und Kanada mit jeweils 83 Startern. Bemerkenswert auch die Tatsache, dass sich 268 Frauen angemeldet haben, immerhin etwas mehr als 6% der Teilnehmer.
19. August 8:00 h
Nach einer ersten schnellen Nacht - mit einem Tempo, das alle Erwartungen übertrifft - bekommt Paris-Brest-Paris langsam ein klares Gesicht an der Kontrollstelle Fougeres (311 km), die die Ersten um 05:47 h an diesem 19. August passiert haben. Zuvor war die Kontrolle in Villaines la Juhel (223 km) Schauplatz einer gewissen Hektik gewesen. Die Radfahrer hatten während der Nacht gewisse Schwierigkeiten ihre Helfer und nach der Kontrolle ihre Fahrräder zu finden. Alles kehrte aber schnell wieder zur Ordnung zurück und 26 Fahrer bilden die Spitze des Rennens. Unter ihnen finden sich alle Stars wie Thoraval, Kerlouet, Bocquet sowie unsere 2 Freunde Didier Miranda und Philippe Deplaix. Schon zeichnen sich am Horizont die ersten Anstiege der Bretagne ab und am Wendepunkt in Brest wird sich am Ende des Nachmittags die Rennsituation noch weiter geklärt haben.
19. August 11:00 h
Um 10:26 h hat die Spitzengruppe des 15. PBP Loudeac erreicht, die 5. Kontrollstelle nach 452 Kilometern. Sie setzt sich folgendermaßen zusammen: Philippe DEPLAIX, Didier MIRANDA, Dominique BRIAND, François THORAVAL, Bruno LE CORRE, Michel HERVE, Gilles MALARD, Urbain BERNARDO, Yves CHIZELLE, Alain GUSMINI, Ian PATUEL, Jean Marc ROBIN, Didier KERLOUET, Robert AUBRY und Loic BODIN als französische Teilnehmer. Christophe BOCQUET - Sieger von PBP 1999 gemeinsam mit Philippe DEPLAIX - ist bereits leicht distanziert. Jens KASLER (DK), Enrico DE ANGELI (I), Graziano SOSIO (I), Guillermo ABERSATURI (E), Marc LEUCKX (B), Chris GREALISH (USA), Michael FULTON (USA) und Erling JORGENSEN (DK) sind ebenfalls noch Teil dieser Gruppe, aus der sich die Sieger dieser sehr schnellen Ausgabe von PBP 2003 rekrutieren werden.
19. August 16:00 h
PBP nimmt ein Rekordtempo an, der Umkehrpunkt in Brest (615 km) wurde kurz vor 16:00 h mit einer mittleren Geschwindigkeit von 32 km/h erreicht. Damit ist die Spitzengruppe an der 7. Kontrollstelle um fast eine Stunde der optimistischsten Marschtabelle voraus. Eine Spitzengruppe, die mittlerweile auf 16 Fahrer reduziert ist. Das Ausscheiden am hinteren Ende dieser Gruppe spielt sich auf eine unerbittliche Art und Weise ab. Didier MIRANDA hat auch das Handtuch geworfen: "Dieses Rennen ist nicht für mich gemacht. Ich kann mich nicht an den Schlafmangel gewöhnen, daher folgen mir meine Beine und mein Kopf nicht mehr." Wir kommen noch im Detail auf die Eindrücke von Didier zurück, der durch diese Entwicklung nun zum motiviertesten Helfer für Marc LEUCKX wurde, der sein Freund und Mannschaftskamerad im belgischen Team CYFAC BIO RACER ist. Die Spitzenfahrer, die den robustesten Eindruck machen sind KERLOUET (der einen besonders starken Eindruck macht), BRIAND, THORAVAL und Philippe DEPLAIX. Aber die Strecke ist noch sehr lang und Enttäuschungen wird es noch viele geben im Verlaufe der zweiten Nacht.
Zwischenstand in Brest (Kontrolle Nr. 7, 615 km, 15:55 h):
Bruno LE CORRE, Philippe DEPLAIX, Gilles MALARD, Urbain BERNARDO, Yves CHIZELLE, Alain GUSMINI, Dominique BRIAND, Ian PATUEL, Jean Marc ROBIN, François THORAVAL, Didier KERLOUET, Loic BODIN, Jens KASLER (DK), Enrico De Angeli (I), Marc LEUCKX (B), Michael FULTON (USA)
19. August 21:00 h
452 km vor der Zielankunft in Saint Quentin en Yvelines, an der Kontrollstelle Nr. 9 in Loudeac, haben sich die Reihen in der Spitzengruppe weiter gelichtet, während langsam die Abenddämmerung über die Strecke von PBP hereinbricht. Es sind nur noch 13 Fahrer, die sich darum bewerben, zu denen zu gehören, die einen neuen Streckenrekord für Paris-Brest-Paris aufstellen werden. Philippe DEPLAIX hat aufgegeben. Seine Moral wurde erschüttert durch die Haltung einiger Profiteure, die sich nicht an der gemeinsamen Arbeit beteiligen wollten. Didier KERLOUET ist nicht gemeinsam mit der Spitzengruppe an der Kontrolle erschienen und andere wurden durch den infernalischen Rhythmus des 15. PBP hinweggefegt. Die 13 Überlebenden nähern sich nun in forschem Tempo der entscheidenden Nacht, die gefürchtet ist, denn sie wird unwiederbringbar darüber richten, wer zu den Siegern und wer zu den Verlierern zählen wird.
Zwischenstand in Loudeac (Kontrolle Nr. 9, 773 km):
Bruno LE CORRE, Gilles MALARD, Yves CHIZELLE, Dominique BRIAND, Ian PATUEL, Jean Marc ROBIN, François THORAVAL, Loic BODIN, Jens KASLER, Enrico DE ANGELI, Marc LEUCKX, Michael FULTON, Denis MORAN
20. August 07:00 h
Die gemeinsamen Anstrengungen scheinen die Oberhand zu gewinnen über individuelle Interessen. Die Nacht war lang, einige haben pausiert, aber in Villaines la Juhel, an der 12. Kontrollstelle 223 km vor dem Ziel, sind es immer noch 9 Fahrer, die gemeinsam unterwegs sind, um ihren Namen in die Siegerliste von Paris-Brest-Paris einzutragen. Es hat einen Ausbruchversuch von Jean Marc ROBIN gegeben, der an der Kontrolle einen kleinen Vorsprung von einigen Minuten besaß vor einer kompakten und scheinbar homogenen Gruppe von 8 Fahrern. Yves CHIZELLE und der Däne Jens KASLER haben aufgegeben. Der Amerikaner Michael FULTON, Bruno LE CORRE und Loic BODIN sind leicht distanziert worden. Der Wind, der bisher auf 3/4 des Rückweges nur leicht blies, könnte, wenn er weiter auffrischt, den Mutigen helfen ihr Ziel noch schneller zu erreichen. Die Frage, die sich momentan stellt, ist die, ob der Rekord aus dem Jahre 1995 gebrochen werden wird. Die 43-Stundenmarke ist in Sichtweite!
Zwischenstand in Villaines la Juhel (Kontrolle Nr. 12, 1002 km):
Jean Marc ROBIN 06:43 h
Gilles MALARD, Dominique BRIAND, Ian PATUEL, François THORAVAL,
Didier KERLOUET, Enrico DE ANGELI, Marc LEUCKX, Denis MORAN 06:52 h
Bruno LE CORRE 06:59 h
20. August 10:00 h
Die kühle Nacht am Rande der Bretagne hat ihre Spuren bei den Fahrern hinterlassen. An der 13. Kontrollstelle Mortagne au Perche, 141 km vor dem Ziel, besteht die Spitzengruppe nur noch aus 6 Fahrern. Von den Schwächsten in der Gruppe hat sich einer nach dem anderen zurückfallen lassen. Das Erreichen des Herzens von Frankreich könnte sich für diejenigen als heikel erweisen, die nicht die notwendigen Reserven haben, um an die permanenten Hügel offensiv heranzugehen. Diese Art von Langstreckenrennen und insbesondere PBP ist dafür bekannt, dass die Überlebenden eines langen Abenteuers sich entscheiden, gemeinsam anzukommen und einen Nichtangriffspakt zu schließen. Da es so scheint, dass dies auch hier der Fall ist, bleibt die Frage, ob dies auch der Schlüssel zu einer neuen Rekordzeit ist.
Zwischenstand in Mortagne au Perche (Kontrolle Nr. 13, 1084 km):
Dominique BRIAND, Jean Marc ROBIN, Didier KERLOUET,
Loic BODIN, Marc LEUCKX, Denis MORAN 09:43 h
Gilles MALARD, François THORAVAL, Ian PATUEL 09:55 h
Enrico DE ANGELI 10:04 h
20. August 18:00 h
Die Schlussetappe dieses 15. Paris-Brest-Paris schließt sich an die Tradition an, die sich für diese Art von Langstreckenrennen etabliert hat, wo die gemeinsame Leistung über den Individualismus obsiegt. Daher war es nur logisch, dass die 6 Ausreisser, die sich zusammengefunden haben, auch zusammen ins Ziel nach Saint Quentin en Yvelines gefahren sind. Sie haben die 1225 km in 42 Stunden und 40 Minuten absolviert und damit einen neuen Rekord für das Amateurrennen Paris-Brest-Paris Randonneurs aufgestellt. Herzliche Gratulation an Marc LEUCKX aus Belgien vom Team CYFAC BIO RACER und an die Franzosen Dominique BRIAND (OC Cyclo Manissieux), Jean Marc ROBIN (Cyclos Pays Quintyn), Loic BODIN (OC Montauban), Denis MORAN (VC Challans) und Didier KERLOUET (Amicale Laiq. Belle Isle). Wir wollen aber natürlich auch die über 4000 anderen Teilnehmer nicht vergessen, von denen die meisten anonym bleiben und von denen einige für eine halbe Woche auf der Strecke unterwegs sind. Wir kommen noch ein letztes Mal im Detail auf PBP zurück mit Kommentaren und Analysen von Teilnehmern und wir hoffen auf ein Wiedersehen bei der 16. Ausgabe dieser radsportlichen Herausforderung, die Randonneure aus der ganzen Welt miteinander verbindet.
Endresultat (inoffiziell):
1. 0097 BODIN Loic F 42h40m 0594 BRIAND Dominique F 42h40m 0657 KERLOUET Didier F 42h40m 1678 LEUCKX Marc B 42h40m 0579 MORAN Denis F 42h40m 0622 ROBIN Jean-Marc F 42h40m 7. 0472 MALARD Gilles F 43h34m 0117 PATUEL Ian F 43h34m 0529 PONCIN Gerard F 43h34m 0620 THORAVAL Francois F 43h34m 11. 0544 LE CORRE Bruno F 44h13m 12. 1947 DE ANGELI Enrico I 44h34m 13. 1775 FULTON Michael USA 45h21m 14. 1674 GEERINCK Werher B 45h40m 15. 0429 BERNARDO Urbain F 46h05m 1912 DE JONG Anco NL 46h05m 1729 GREALISH Chris USA 46h05m 0208 LECOEUR Patrick F 46h05m 1680 RIEBBELS Luc B 46h05m 20. 0237 BOURSETTE Laurent F 46h06m
Interview mit Marc Leuckx* einem der neuen Rekordhalter von Paris-Brest-Paris:
Marc Leuckx hat gemeinsam mit 5 anderen Radsportlern, die das gleiche Verdienst an der neuen Rekordmarke von 42 Stunden und 40 Minuten tragen, diese großartige 15. Austragung von PBP dominiert. Wir haben ihn für ein Interview ausgewählt, da er der einzige Nicht-Franzose in der Gruppe war (er ist Belgier), damit vielleicht den geringsten Bekanntheitsgrad hat und nicht zuletzt auch aufgrund seines bescheidenen Auftretens. In diesem Zusammenhang ist auch zu erwähnen, dass er nicht der Schwächste in dieser Gruppe war, insbesondere in der Entscheidungsphase nach der zweiten Nacht. Basierend auf dieser Analyse hat ihm vielleicht auch sein Beruf als Mathematiklehrer geholfen, seinen Krafteinsatz besonders gut zu berechnen und zu dosieren.
Frage - JDC:
Marc, seit wann hast du diese Leidenschaft für die langen Distanzen und welches
waren deine Ziele vor dem Start von PBP ?
Antwort - M.L.:
Vor zwei Jahren habe ich an einer Durchquerung der Vereinigten Staaten teilgenommen,
die von Lon Haldeman organisiert wurde (PAC Tour). Ich bin über 5000 km gefahren mit
einer Gruppe von Radsportlern, die mit solchen Distanzen bereits Erfahrung hatten.
Ich konnte mich dabei davon überzeugen, dass ich gewisse Fähigkeiten habe, mich schnell
zu erholen und über eine gute Dosierfähigkeit meines Krafteinsatzes auf langen
Distanzen verfüge. Nach meiner Rückkehr hat Didier Miranda nicht aufgehört mich daran
zu erinnern, dass ich mich doch für die Teilnahme bei Paris Brest Paris einschreiben sollte.
So hat das Abenteuer dann seinen Lauf genommen. Ich hatte mich also angemeldet und ich habe
gemeinsam mit Didier diese Sache vorbereitet. Ich muss aber sagen, dass ich keinerlei
Erfahrungen mit dieser Art von Rennen hatte. Es war ein Vorstoß in das Unbekannte, ich habe
einfach nur gehofft, unter 50 Stunden zu bleiben.
Frage - JDC:
PBP war also dein erstes Rennen auf der Langstrecke, aber wie hast du trainiert, um die
2 Tage auf dem Rennrad bei diesem Tempo durchzustehen ?
Antwort - M.L.:
Ich muss sagen, dass ich schon etwas mehr trainiert habe als sonst üblich. Ich hatte
24.000 km seit Jahresbeginn auf meinem Tacho vor PBP. Ich bin alle Brevets gefahren und
ich habe die Trainingsdistanzen etwas verlängert. Meine längsten Einheiten hatten eine
Länge von 400 km. Das was mir sicherlich besonders hilft durchzuhalten sind meine mentalen
Fähigkeiten. Ich hatte die Überzeugung, dass ich weit vorne sein werde und dass es
mit der langen Distanz immer besser für mich laufen wird, während viele andere den
Eindruck erweckten, dass sie mehr und mehr abbauten. Darüber hinaus war die Unterstützung
meiner Freunde im Team genial. Die Tatsache an jeder Kontrolle ihr zunehmend entspanntes
Lächeln zu sehen, gab mir zusätzliche Kraft. Trotzdem muss ich sagen, dass ich die Tatsache
nachts fahren zu müssen, gefürchtet habe. Ich hatte das zuvor in dem Maße nicht gemacht und
ich muss sagen, selbst nach dem Rennen, dass ich das überhaupt nicht liebe.
Frage - JDC:
Bist du in Bezug auf deine Ernährung und deine aktive Erholung einem bestimmten Plan gefolgt ?
Antwort - M.L.:
Überhaupt nicht. Ich habe das gegessen, was man mir an den Kontrollen präsentiert hat ohne
dass ich mir viele Fragen dazu gestellt hätte. Aber auf dem Fahrrad habe ich praktisch
pausenlos gegessen und getrunken. Ich habe keine Ahnung, wieviele Squeezy-Gels ich
hinuntergeschluckt habe, aber die Anzahl war beeindruckend. Ich hatte eine schwierige Phase
mit Magenbeschwerden, aber diese Phase ist auch schnell wieder verschwunden. Mit einer
guten Moral und Einstellung lösen sich alle diese Probleme und der Stress verschwindet.
Frage - JDC:
Hast du vor in der Zukunft an weiteren Langstreckenrennen teilzunehmen ?
Antwort - M.L.:
Warum nicht, obwohl die Tatsache nachts fahren zu müssen mich schon ziemlich stört.
Außerdem habe ich mit meinem Beruf als Lehrer einen klaren Zeitrahmen, den ich nicht
einfach für eine spezifische Vorbereitung über den Haufen werfen kann. Dafür kann ich
nur die Schulferien nutzen, wodurch meine Möglichkeiten diesbezüglich ziemlich
eingeschränkt sind. Aber es ist schon wahr, dass das RAAM schon seit längerer Zeit
ein Traum von mir ist. In der Zwischenzeit werde ich die Saison mit meinen
Vereinskameraden vom Team BIO RACER CYFAC beschließen - das schulde ich ihnen nun.
*Marc LEUCKX ist 39 Jahre alt, er wohnt in Lennik in Belgien, wo er als Mathematiklehrer arbeitet. Ich habe mit ihm einen Radsportler kennengelernt, der eine totale Hingabe für seinen Sport zeigt und dabei bescheiden und großzügig geblieben ist.